Die Praxis des Zazen
Zazen kann allein oder in einer Gruppe praktiziert werden. In einem ruhigen Raum wählt man einen Platz, an dem man sich wohlfühlt und während des Sitzens still bleiben kann. Zazen ist keine Flucht vor der Welt. Man darf keine Trennung zwischen sich und der Welt schaffen und es ist nicht notwendig, nach einer perfekten äußeren Situation zu suchen.
Vor dem Sitzen
Bevor man mit dem Sitzen beginnt, ist es gut, sich durch Dehnen oder andere Körperübungen zu entspannen. Die Kleidung sollte locker sein, damit man frei atmen kann. Als Anfänger sollte man sich nicht abmühen, unangenehm lange zu sitzen. Es ist gut, mit einer halben Stunde zu beginnen und die Zeit des Sitzens intuitiv zu verlängern.
Die Haltung
Normalerweise sitzt man im halben Lotussitz auf einem Kissen, das einer neutralen Wand zugewandt ist oder nach vorne in einen offenen Raum blickt. Ein mit Kapok oder Buchweizen gefülltes Zafu-Kissen hat die richtige Härte, so dass man weder einsinkt noch unangenehm hart sitzt. Als Ersatz kann man auch eine gefaltete Decke zum Sitzen verwenden. Eine Decke oder ein weicher Teppich auf dem Boden bietet zusätzlichen Komfort und Schutz vor Kälte. Der Körper ist aufgerichtet, wobei die Knie den Boden berühren, damit die Wirbelsäule bequem in einer vertikalen Position steht. Man setzt sich auf den vorderen Teil des Kissens und kreuzt die Beine. Im vollen Lotussitz wird der linke Fuß auf den rechten Oberschenkel und der rechte Fuß auf den linken Oberschenkel gestellt. Da wir im Westen jedoch nicht daran gewöhnt sind, so zu sitzen, wird als einfachere Alternative der halbe Lotussitz empfohlen. Bei dieser Haltung wird nur der rechte Fuß auf den linken Oberschenkel gestellt. Wenn man richtig aufrecht sitzt, sollten beide Knie den Boden berühren. Es ist wichtig zu erkennen, dass man sich in keiner Weise quälen muss! Die Form dient nur dazu, dass man frei sitzen kann. Askese oder andere Ideale haben nichts mit Zen zu tun. Wenn der halbe Lotussitz nicht möglich ist, kann man die Beine kreuzen, ohne einen Fuß auf den anderen zu setzen. Wenn auch das nicht möglich ist, kann man sich auf eine Meditationsbank setzen oder auf einem Kissen kniend sitzen. Wer nicht in der Lage ist, auf dem Boden zu sitzen, kann sich während der Meditation auf einen Stuhl setzen.
Letztlich sollte man sich bei der Suche nach der richtigen Sitzhaltung vom Vertrauen in die eigenen Sinne leiten lassen. Wenn der Körper im Gleichgewicht ist, trägt er sich selbst und man ist in der Lage, ruhig zu sitzen, und es gibt keinen Grund, irgendetwas zu tun, weder äußerlich noch innerlich. Es ist wichtig, sich nirgends anzulehnen und eine entspannte und belastungsfreie Haltung zu finden. Der Rücken ist natürlich gehalten und die Schultern sind entspannt. Die Arme fallen leicht und frei, ein wenig vom Körper weg. Der Kopf wird aufrecht gehalten, das Kinn sitzt entspannt und ein wenig nach hinten. Die Hände ruhen unterhalb des Nabels, wobei die eine Hand in der anderen Hand ruht, so dass die Mittelgelenke der Finger übereinander liegen. Die Daumen berühren sich leicht und der Blick ist weich und etwa einen Meter vor einem zum Boden gerichtet. Die halbgeschlossenen Augen schauen auf nichts Bestimmtes, auch wenn man intuitiv alles sieht! Der Blick geht nach innen.
Der Atem
Der Atem wird nicht manipuliert. Wenn man richtig sitzt, geschieht die Atmung auf natürliche Weise von selbst. Nach kurzer Zeit stellt sich ein natürlicher Rhythmus ein, der Körperschwerpunkt verlagert sich nach unten und der Atem fließt sanft von selbst. Nach dem tiefen Ausatmen folgt das Einatmen ganz natürlich.
Der Geist
Zazen bedeutet, die Realität der eigenen Existenz zu sehen, ohne sie zu interpretieren. Die Wahrnehmung ist direkt. Man sitzt einfach und das ist alles. Da ist keine Kontrolle, keine Anstrengung, keine Richtung – nur Wachheit, die ganz natürlich entsteht. Waches Schauen, das alles einschließt. Auch die Gedanken, die kommen und gehen. Weder versucht man, die Gedanken festzuhalten, noch unterdrückt man sie. Obwohl sie anwesend sind, ist man frei von ihnen. Der Geist fließt frei, ohne sich an etwas festzuhalten. Die Reise ist völlig offen. Erleichtert und offen tritt man mit seinem ganzen Wesen ein, ohne Energie zu verschwenden. Hier gibt es keine Arbeit zu tun, kein richtig oder falsch, keine Verwirrung. Ohne Vorstellungen von Raum und Zeit ist man hier und jetzt. Man ist frei und gleichzeitig von allem abhängig.
Kinhin (Gehmeditation)
Zur Entlastung und Entspannung der Beine, wird zwischen den Zazen-Perioden Kinhin praktiziert. Kinhin ist eine sehr langsame Gehmeditation. Nach dem Ende einer Zazenperiode steht man auf und lockert das Sitzkissen wieder. Man dreht sich in Gehrichtung. Die rechte Hand umschließt leicht den Daumen, ist nach unten gerichtet und ruht auf der Höhe des Solar Plexus. Die linke Hand legt sich darüber, die Unterarme werden waagerecht gehalten, die Schultern sind entspannt. Die Körper ist aufgerichtet, der Blick ruht vor sich auf dem Boden. Mit dem Einatmen den Fuß heben und mit dem Ausatmen mit einem halben Schritt wieder aufsetzen. Man geht sehr langsam und in natürlicher Weise. Es ist Zazen in Bewegung.
Zen im Alltag
Der erste Schritt ist, sich an die eigene Natur zu erinnern und darin zu verwurzeln. Wenn man fähig wird, Gedanken und Gefühle im Alltag zu beobachten, wird man unabhängig von der Form des Sitzens. Ohne nach Dingen zu jagen, nimmt man aktiv am täglichen Leben teil. Aus der Polarität zwischen Stille und Aktion erscheinen Kontraste und Widersprüche in einem neuen Licht. Daraus erwächst eine Einsicht in die gegenseitige Abhängigkeit aller Erscheinungen, Mitgefühl, eine Intelligenz des Herzens und eine große Freiheit.